SC 1957 Bad Königshofen e.V. zum 3. Mal Sieger der Frauenbundesliga
– Titelverteidigung geglückt und gelungen –
(Ein rein subjektiver Artikel – von Jürgen Müller)
Die längste Saison der Frauenbundesliga ist nun Geschichte und schrieb dabei auch ihre eigene. Mehrmals wurden die letzten 3 noch ausstehenden Runden der Saison 2019/20 angesetzt, in Frage gestellt und wieder angesetzt. Ob als zentrale Endrunde in Berlin oder an anderer Stelle. Zum Schluss war eigentlich nur noch wichtig, dass sie stattfinden und die Saison, nun mit Namen 2019/2021 ihren Abschluss findet. Dass es aus unserer Sicht mit einem solch furiosen Abschluss endet, war nicht vorher zu sehen. Doch dazu nun langsam und etwas chronologisch, soweit das aus dem Auge des Betrachters überhaupt möglich ist. Objektiv ist es bestimmt nicht, dafür bin ich doch viel zu emotional in der Sache verwurzelt.
Back to the roots: Vor genau 20 Jahren nahm erstmals eine Frauenmannschaft aus Bad Königshofen an einer Verbandsrunde teil. Wer hätte damals gedacht, dass man 20 Jahre später zum 3. Mal Deutscher Meister wird und auch noch den Titel aus dem Vorjahr verteidigt? Keiner. Auf jeden Fall nicht ich. Mit dabei von Beginn an: WGM Irina Zakurdjaeva (damals noch WIM) und mein russischer Freund FM Alexander Kulagin.
Jetzt machen wir den Zeitsprung in die abgelaufene Saison. Während ich in der Klinik weilte, musste ich das Drama gegen Baden-Baden halb online halb übers Telefon und WhatsApp erleben, aushalten, mitfiebern und zum Schluss wie ein Gummiball durch den Klinikflur hüpfend alleine durchstehen. Die Schachfreunde aus Schwäbisch Hall versorgten mich. Dank Ihres Kiebitzes vor Ort mit den notwendigen Stellungen, Analysen und Beurteilungen. Gefühlt war das der längste Mannschaftskampf meines Lebens.
Noch ein Zeitsprung, eineinhalb Jahre später: 10 Tage vor den 3 Schlussrunden haben wir auf dem Papier am Freitag 5 Spielerinnen am Brett, am Samstag und Sonntag evtl. 6, wenn bei Maria Schöne alles klappt. Die Visaerteilung in Russland gestaltet sich schwieriger als gedacht. Gott sei Dank hat sich dann unsere Bundestagsabgeordnete Frau Dr. Manuela Rottmann für uns stark gemacht und 7 Tage vor der 9. Runde konnte Alexandra Obolentseva dann doch in den Flieger steigen. Wie sich dann herausstellte, ein entscheidender Schachzug.
Donnerstag , 2. September. Anreise in unser Hotel nach Nürtingen. Dina und Nastya kamen mit dem TGV aus Frankreich, Tatjana mit dem Auto aus Magdeburg, Olga mit dem Flieger aus Kiew, und Alexandra (Sasha) und ich aus Kleinbardorf mit dem Auto. Gemeinsames Abendessen im Hotel und Einstimmung auf das bevorstehende Wochenende. Mit dabei natürlich das Objekt der Begierde und des Saisonziels.
Allerdings machte ich auch klar, dass unser erstes Ziel ist, die Medaille zu sichern, danach können wir an mehr denken. Immer nur an das nächste Spiel denken. Brettpunkte sind egal, die helfen uns eh nicht. Also Freitag gewinnen und Samstag nicht verlieren, dann ist die Medaille sicher. Oder anders gesagt. Freitag 3,5 Punkte, Samstag 3,5 Punkte und dann reichen am Sonntag 3. Lt. Tatjana wäre das ein guter Plan, den sollten wir doch beherzigen und umsetzen. Klang ganz einfach, nur mir fehlte der Glaube daran und ich meinte, dass diese Logik eine Chance von 20 % hätte. Meine Spielerinnen waren da ganz anderer Meinung. Ich ließ ihnen den Glauben ….
Freitag, 3. September, 9. Runde gegen Hofheim
Wir hatten ein ausgiebiges Frühstück, waren in der Stadt shoppen, was Mädels halt so alles brauchen, und schauten nach einem Lokal fürs späte Mittagessen so um 15:30. Es wurde noch etwas Vorbereitung betrieben und Maximilian war kurz vor 15:00 dann auch angekommen. Er musste Freitag noch arbeiten. Mittagessen direkt neben dem Hotel beim Chinesen und Abfahrt nach Deizisau. (30 Min) Wir wussten, dass Hofheim um jeden Brettpunkt kämpfen würde und nichts zu verlieren hatte, denn jeder Brettpunkt könnte für den Abstieg entscheiden sein. Daher nahmen wir den Wettkampf ernst und keinesfalls überheblich. Jede Spielerin war von Anfang an voll konzentriert in der Partie und so konnten wir unser fünftes 6:0 in der Bundesliga verzeichnen. Zurück ins Hotel, Ankunft um 22:30- Hunger! – also auf in die Stadt und eine Futterkrippe suchen, nicht ganz so einfach, aber 23:10 doch noch eine kleine Braustube gefunden, wo es Schweizer Käsesalat und Fassbier gab. Ein lustiger Abend ging dann nach der 2. Runde Bier zu Ende und allen war klar: Deizisau, das wird eine ganz harte Nuss.
Samstag 4. September, 10. Runde gegen Deizisau.
Aufstellungsdiskussion hatten wir ja keine, uns war klar, dass Hanna mitspielen wird. Aber wer dafür draußen bleibt, war unklar. Aber da ich ja der bekanntlich schlechteste Teamcaptain der Frauenbundesliga bin (Man erinnere sich an die 5 Gastspielerinnen gegen Harksheide) hatte ich nicht bedacht, dass Deizisau ein ähnliches Problem hat Aber das natürlich viel besser löste als ich damals.
Der Wettkampf war absolut auf Augenhöhe und stand mehrfach auf der Kippe, war wohl auch mal drüber, kam wieder rüber und zum Schluss haben wir doch glücklich, aber ich denke nicht unverdient gewonnen. Jana war etwas enttäuscht, wollte sie doch heute Ihre WGM-Norm klar machen, hatte aber leider gegen Inna sich verrechnet und konnte nicht den erhofften Punkt einfahren. Aber die Mannschaft hat sich hier nicht von einzelnen Ergebnissen ablenken lassen und hat stattdessen immer an die Dreieinhalb Punkte geglaubt.
Die Freude beim Abendessen war eigentlich sehr groß, aber die Herausforderung des nächsten Tages mit dem nominell klar stärkeren Gegner war zu spüren. Auch der Meisterpokal stand wieder mit am Tisch. Jeder nahm ihn nochmals in die Hand und fühlte, wie sich das anfühlt diesen tollen Pokal anfassen zu dürfen.
Das griechische Essen war vorzüglich und zurück in der Hotellobby verabschiedet man sich bis zum Frühstück. Dina wollte den Pokal eigentlich nicht wieder zurückgeben und so meinte ich, sie dürfe gerne ihn mit ins Bett nehmen. Dabei entstand am Vorabend, also die letzte Nacht, wo der Pokal noch bei uns war, dieses sensationelle Foto aus Dinas Bett:
In der Schachgruppe und auf Instagramm bekamen wir schon Glückwünsche über den erneuten Titelgewinn und ich musste die halbe Nacht erklären, warum und wieso es zu diesem „Pokalbild“ kam. Dina wollte eigentlich nur Abschied nehmen ….
Sonntag, 5. September, 11 Runde – Showdown mit Schwäbisch Hall
Früh aufstehen, 8:00 Frühstück, 8:30 Abfahrt. Denkste. (8:42 Abfahrt) Ankunft Spiellokal 8:59. Alles gut. Ich war irgendwie total ruhig. Hatte mir ja, wie schon oben geschrieben, nicht viel ausgerechnet. Glaubte aber an mein Team und wie ruhig alle waren. Maximilian war sich sicher, dass die Mädels das schon hinbekommen, vor allem als man beim Frühstück vereinbarte, wir spielen nicht auf Unentschieden, sondern auf Gewinn. Das klang nicht überheblich, es war der Focus und die Überzeugung, dass nur die Flucht nach vorne zum Erfolg führt. Wenn man abwartet, dann erdrücken sie uns. Ich bin ja nur noch 1. Vorsitzender, Teamcaptain und Team werden schon wissen was gut und richtig ist. Und so begannen die Partien. Sasha und Jana legten los wie die Feuerwehr, spätestens nach Janas mir total unbekannten Bauernzug (Hier hatte wohl GM Michael Prusikin, Janas Trainer, einen entscheidenden Anteil daran), war ich raus und zählte an allen Brettern eigentlich immer nur das Material, da konnte ich nicht so viel falsch machen. Als Jana uns dann sensationell mit 1:0 in Führung brachte, wurde ich noch ruhiger und war eigentlich eine ganze Zeit lang nicht an den Brettern. Natürlich gratulierte ich Jana direkt nach der Partie zur erfolgreichen Norm, die sie nun doch noch geschafft hatte. Erst als ich bei den Schwäbisch Haller Schachfreunden Thomas, Mario und Gregor etwas Nervosität zeigte, bin ich doch nochmal an die Bretter. Und ich kam dann in den Saal und sah die Ursache. Dina hatte den Angriff verteidigt und stand auf Gewinn. Es dauerte noch ein wenig, und dann stand es 2,5: 1,5. Unglaublich!. Ein Remis aus 2 Partien würde reichen. Tatjana hatte ne Quali mehr (das konnte ich leicht nachzählen), aber auch mit meinen 1700 DWZ gefiel mir die Stellung von Tatjana nicht so richtig. Olga hingegen, war in einem Dame-Turm-Endspiel mit ein bzw. zwei Bauern und das schien doch sehr remislich. Also notierte ich 2,5 : 1,5 auf dem Rücken eines Partieformulars und informierte meine Spielerinnen, die das Ergebnis erleichtert zu Kenntnis nahmen. Beide Spielerinnen erschienen mir sehr ruhig, wobei ich jetzt erst richtig nervös wurde und nicht mehr wusste, wie ich das bis zum Schluss überleben soll. Bis zu dem Zeitpunkt war ich ruhig, aber ab dem Punkt, wo ich das erste Mal dachte, das könnte jetzt etwas werden, bekam ich es mit der Angst, dass noch etwas schief gehen könnte. Den Rest hat ja Thomas Marschner schon erzählt und ich will euch nicht weiter langweilen. Irgendwann, gefühlt nach weiteren 2 Stunden. (War bestimmt viel kürzer) hat Olga die Uhr angehalten und nach dem Schiedsrichter verlangt und Remis nach dreimaliger Stellungswiederholung beantragt. Nach kurzer Prüfung wurde dem stattgegeben und der Jubel begann sich auszubreiten.
Die Schwäbisch Haller Schachfreunde waren die ersten, fairen und aufrichtigen Gratulanten. Danach fühlte sich alles irgendwie ein wenig surreal an. Die Siegerehrung durch Dan-Peter Poetke und Roland Katz war gelungen und nach der Verabschiedung aller Spielerinnen begann die Heimreise nach Bad Königshofen, wo wir nicht wussten was uns erwartet.
Auf der Heimfahrt wurde bestimmt 100-Mal das geflügelte Wort „I can’t belive“ ausgerufen, von irgendeiner Spielerin abwechselnd. Ja, so war es für mich ja irgendwie auch im Inneren. Ich war irgendwie wie auf Schaumgummi unterwegs. (Auch am Montag noch)
Vlnr: Teamcaptain Maximilian Müller, Olga Babiy, Anastasia Savina, Dina Belenkaya, Alexandra Obolentseva, Tatjana Melamed, Jana Schneider, 1. Vorsitzender Jürgen Müller
Auf der Heimfahrt, dann nochmal zurück nach Deizisau (Brille vergessen), ups, geblitzt! Naja, an einem solchen Tag auch egal. 18:15 Ankunft auf dem Marktplatz in Bad Königshofen. Hupkonzert. Musikband, „Oh wie ist das schön“ und Polonaise über den Platz, Foto vor dem Rathaus mit Stadtvertretern
Der Stadtrat Frank Helmerich überreicht den Frauen Sonnenblumen und gratulierte im Namen der Stadt Bad Königshofen zur Titelverteidigung.
und Einzug in unser Gründungslokal: Hotel-Restaurant Schlundhaus.
Die Band mit Altbürgermeister Clemens Behr (Ehrenmitglied des Schachclubs) vor dem Schlundhaus am Marktplatz.
Gemeinsames Abendessen mit Verleihung der goldenen Ehrennadel an Olga
(Alle anderen Spielerinnen hatten die ja schon bekommen)
und Übergabe des signierten Meisterfotos von 2019 an unseren Wirt und Sponsor Christian Fischer.
Gegen 23:00 dann endlich alle in Kleinbardorf, müde, abgekämpft, aber glücklich und zufrieden. Kurz schlafen, denn 6:30 Abfahrt zum Flughafen nach Frankfurt.
Eine unglaubliche Saison ging fantastisch zu Ende. Nur wenige hatten wirklich daran geglaubt, dass man in einer Saison beiden Top-Teams der Liga Paroli bieten kann. (ich ja selbst nicht ganz). Aber ich bin mir sicher, dass in der nächsten Saison, die Karten wieder neu gemischt werden und die „Jagd“ nach dem Meisterpokal von neuem beginnt und wieder irre spannend wird. Der besten Mannschaft wünsche ich am Ende den Titel und den Erfolg. Ich hoffe wir können wieder bis zum Schluss mitmischen und wie wir gesehen haben, geht es nur um Nuancen ….
Auf eine tolle, spannende und faszinierende Saison 2021/2022 freut sich Maximilian und Jürgen Müller mit dem Team vom SC 1957 Bad Königshofen e.V. und den 11 Mitkonkurrenten um den Titel.
Bedanken muss ich mich natürlich im Namen des Schachclubs bei allen Freunden und Förderern des Vereins, die dies uns allen erst ermöglicht haben.
In schachlicher Verbundenheit
Jürgen Müller